100 Jahre Langeooger Wasserturm
Ein Wunderwerk des technischen Fortschritts einer Gemeinde von 1909 gerade mal 340 Einwohnern, die bis dahin unter primitiven Bedingungen Trinkwasser als Regenwasser in Zisternen oder Fässern auffingen, oder Brunnen in den Boden gruben, die an einigen Standorten gelbliches und faulig riechendes Wasser lieferten. Die Brunnen waren nach schweren Sturmfluten oft genug verdorben und lange Zeit versalzen, zuletzt in der Sturmflut vom 13. März 1906, die der gesamten deutschen Nordseeküste schwer zusetzte. Das Los der Insulaner brachte diese Härte der schwierigen Wasserbeschaffung mit sich. Aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch die Insel Langeoog zum interessanten Erholungsgebiet für die in den Städten lebenden wohlhabenden Schichten und den gebildeten Mittelstand, die die Natur und vor allem die frische raue Natur der Inseln als seelische und körperliche Erbauung aufsuchten. Für die Insulaner eine Chance sich aus der absoluten Abhängigkeit von den Naturkräften zu befreien. Allerdings eine Chance, die angesichts Ihrer Armut nur mit enormem persönlichen Einsatz und bisweilen auch widerwillig ergriffen wurde, weil der Badebetrieb die gesamte bisherige Lebensweise auf den Kopf stellte.
Seit Errichtung des ersten Hotels 1884 (Ahrenholtz, heute Hotel Flörke) und besonders des Hospizes 1885 auf Langeoog, kamen Menschen hierher, die relativ viel Geld hatten, aber für Insulanerverhältnisse auch sehr hohe Ansprüche stellten. Diese Ansprüche zu befriedigen, erforderte zunächst erhebliche Investitionen. Um 1900 begann ein regelrechter Bauboom im kleinen Inseldorf. Die alten Anbauernhäuser wichen den Hotels und Logierhäusern, die Schiffsverbindung wurde verbessert, eine Pferdebahn transportierte seit 1901 die Gäste bequem in den Ort. Wege wurden gepflastert. Die Gäste suchten Natur und der Ort wurde voll im Sommer. Strand und Dünen waren weit, aber im Ort wurde es eng. Im Juli 1905 reisten mehr Badegäste an als Quartiere vorhanden waren. Sie mussten zurückgewiesen werden! Wer weiß, wo und wie sie unterkamen bei all der Beschwerlichkeit der Anreise in jenen Jahren.
Aus den Gräben stank es im Sommer zum Himmel! Güllegeruch und Sommerfrische, das passte nicht zusammen. Aber wohin mit den Abwässern von 3000 Badegästen? Die meisten Häuser hatten Senkgruben, die unten offen waren. Sie wurden einmal jährlich im Winter geleert, aber gerade das erste Haus am Platze, das prunkvolle Kurhaus des Hoteliers Falke, 1902 errichtet, hatte eine viel zu kleine Grube und so leitete der Besitzer die Abwässer über die offenen Gräben durch das Dorf zum Watt. Auch andere Eigentümer hatten große Entsorgungsnöte. Es hagelte Beschwerden an den Inselvogt und den Landrat. Der Inselvogt Oeljeschlager erachtete in einem Bericht an den Landrat in Wittmund vom 25.September 1904 eine Kanalisation als dringlich für Langeoog. Der Landrat Budde drohte 1906 mit einem polizeilichen Verbot der Einleitung von Abwässern in die Gräben, wenn nicht sehr bald ein Grundsatzbeschluss des Gemeindeausschusses zur Errichtung einer Kanalisation gefasst würde. Aber die Insulaner lehnten einstimmig ab. Zu teuer und nur wegen eines rücksichtslosen Hoteliers? Der solle gefälligst seine Pflicht und Schuldigkeit erfüllen.
Doch auch das zweite Problem nagte und hing natürlich direkt mit dem Ersteren zusammen. Es gab im Sommer kein ausreichendes, qualitativ gutes Trinkwasser mehr. Die Bedeutung sauberen Trinkwassers für die Volksgesundheit war aber längst bekannt und die hygienischen Verhältnisse passten nicht zum Anspruch auf Erholung in gesunder Umgebung. Der im Jahr 1906 gewählte Gemeindevorsteher Jakob Pauls, der bis 1923 im Amt blieb, trieb die Sache mit anderen Gemeindevertretern taktisch geschickt voran und als am 03.10.1908 die Langeooger Gemeindevertreter den Vertrag mit der „Berlin-Anhaltischen Maschinenbau Actien-Gesellschaft“ über die „Ausführung eines Wasserwerkes und einer Kanalisation“ für Langeoog unterschrieben hatten, war die Sache entschieden. Eine Wasserleitung mit Wasserwerk, vier neuen Brunnen im umliegenden Dünengebiet, ein Wasserturm und gleichzeitig der Bau einer Kanalisation, deren Dimension bei den Rohrdurchmessern bis heute im Wesentlichen ausreichend ist, waren ein Qualitätssprung für das aufstrebende Seebad Langeoog. Der Weg für einen qualitativ hochwertigen Badebetrieb mit gleichzeitigem hohen Nutzen für die Bewohner war frei. Jakob Pauls hatte zur Finanzierung für diese Investition 1906 die Kurtaxe eingeführt.
Am 16.02.1909, vor genau 100 Jahren, wurde das Westkap niedergelegt und am selben Tag begann der Bau des Wasserturms. Der staatliche Wasserbauinspektor in Aurich erfährt davon im Nachhinein durch den Gemeindevorsteher Jakob Pauls mit Schreiben vom 17.02.1909 und ist nicht begeistert. Er ist zuständig für die Seezeichen, nicht etwa die kleine Gemeinde Langeoog. Das Holz des Westkaps wurde für 200.- Mark auf der Insel versteigert. Ein erheblicher Schaden für das Wasserbauamt, wie der Herr Inspektor meinte. Jakob Pauls war der Meinung, dass mit dem alten Holz sowieso kein Staat mehr zu machen gewesen sei. Und der Bau des Wasserturms duldete keinen Aufschub.
Das hundertjährige Jubiläum des Wasserturms, des Wasserwerkes und der Kanalisation wird das ganze Jahr über begangen werden. Die Kalenderdaten wichtiger Ereignisse der Entstehung dieser Anlagen werden als Wegmarken für die Inselgemeinde und die Kurverwaltung dienen, zu erinnern, zu berichten und mit Insulanern und Gästen zu feiern.
Das der Wasserturm durch eine Dorferneuerungsmaßnahme bald wieder alt aussehen wird, ist durchaus Absicht.
Quelle: Uwe Garrels, Archiv der Inselgemeinde Langeoog
Mit der offiziellen und automatisch schwenkenden Webcam vom Bahnhof erleben Sie den Wasserturm " live ".